Meine Großeltern waren sehr gläubige Menschen. Und doch hatten sie in ihrem Haus nur wenige Bibelverse, Spruchkarten und andere Hinweise auf ihren Glauben an den Wänden hängen. Sie wussten: Es bringt nichts, wenn ein Bibelvers an der Wand hängt, wo man ihn ab und zu liest (oder am Ende übersieht) – der beste Platz für Bibelverse ist unser Herz.

Trotzdem erinnere ich mich an einen dieser Sprüche. Das Bild war recht klein, etwas so groß wie eine Postkarte. Es war auch nicht viel darauf zu sehen: Das Ufer des Ozeans im hellen Sonnenschein. Am Strand stand ein altes Holzschild, auf dem groß zu lesen war: Angeln verboten! Was damit gemeint war, wurde klar, wenn man den Vers las: „Er wirft unsere Sünden in die Tiefe des Meeres.“

Der komplette Vers heißt: Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Missetaten dämpfen und alle unsre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. (Micha 7, 19) Also gilt: Angeln verboten, damit die Sünde auch in der Tiefe des Meeres bleibt — wo sie ja am besten aufgehoben ist.

Diese Verheißung des Propheten Micha passt zu dem Bild, das der Psalmist David verwendet: So ferne der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. (Psalm 103, 12) Aber bleiben wir an dem Strand mit dem Verbotsschild stehen und lassen dieses Wort auf uns wirken.

Dieses Bild hat sich mir eingeprägt. Durch die Sommerferien am Meer konnte ich die Symbolik dieser Spruchkarte schnell verstehen. Wenn etwas ins Wasser fällt, dann ist es eigentlich weg – und niemand sieht an der Oberfläche, was in der Tiefe liegt. Erst recht, wenn man nicht tauchen oder angeln darf. Ja, selbst die genaue Stelle zu finden, wo etwas ins Wasser geworfen wurde, ist dann schwierig. Schatzsucher können ein Lied davon singen…

Und nun sagt der Prophet, dass Gott unsere Sünde auch versenken will. Nicht am Ufer, wo vielleicht bei Ebbe noch etwas rausschaut, auch nicht in einem kleinen See – nein, in die Tiefe des Meeres. Das ist nicht nur ein Ort ohne Wiederkehr, sondern auch ein Platz, an dem wirklich genug Raum für Sünden ist.

Auch wenn der Prophet Micha noch nichts von der Erforschung der Tiefsee wusste: Dieses Bild ist sehr zutreffend. Im letzten Monat haben wir gesehen, dass Schuld und Sünde nicht einfach so aus der Welt verschwinden. Und unser „Schwamm darüber!“ ist keine echte Lösung, nur ein Verschieben. Wo Gott aber die Sünde versenkt, ist sie tatsächlich „von der Bildfläche verschwunden“.

Wie wichtig ist es dann, dass wir nicht wieder danach angeln! Es ist ein beliebter Trick des Teufels, so zu tun, als hätte Gott die Sünde beim Vergeben nur in eine Schublade gelegt – wo er sie bei der nächsten Gelegenheit wieder rausholt und uns präsentiert. Nein, wenn Gott etwas entfernt, dann richtig.

Leider ist Angeln bei vielen Christen ein tägliches Hobby geworden. Sie denken andauernd an ihre Schuld und Sünde – die Gott doch längst in die Tiefsee geworfen hat! Und mit der Sünde der anderen ist es dann genauso. Wie oft wird vom Vergeben gesprochen, aber bevor wir das tun, binden wir noch eine Angelschnur daran, damit wir im passenden Moment die Sünden anderer parat haben.

So werden wir Schuld nie los. Das ist in etwa so, als hätte ein Gast im Restaurant sein Essen bezahlt – aber er bliebe sitzen. Und auf die Frage, warum er nicht geht, sagt er „Ich muss noch auf die Bedienung warten, um meine Rechnung zu bezahlen.“ Daher mein Tipp: Wer seine Schuld loswerden will (und auch von den Sünden anderer genug hat), sollte sich an das strikte Angelverbot halten.