Vor einigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit einem Arbeitskollegen. Dabei ging es uns um irgendein Thema, bei dem sich die angesprochene Person sehr schnell angegriffen fühlen kann. Am Ende dieser kurzen Diskussion meinte er dann lachend: „Meine christliche Prägung hilft mir dabei, so etwas nicht persönlich zu nehmen!“

Auf den ersten Blick ist das doch eine wunderbare Aussage: Wenn Menschen ohne diese christliche Prägung gleich beleidigt sind – wir haben das doch gar nicht nötig! Wir können deswegen schnell zur Tagesordnung zurückkommen, ohne uns da lange aufzuregen.

Und doch hat mich dieser Satz in den nächsten Tagen immer wieder zum Nachdenken gebracht. Denn ich weiß, dass dieser Kollege mit schöner Regelmäßigkeit eine Gemeinde besucht – aber davon war in den 20 Jahren, die wir uns kennen, leider nicht allzu viel im Alltag zu sehen. Die erwähnte „christliche Prägung“ reichte wohl nicht aus, um damit seinerseits das tägliche Umfeld christlich zu prägen…

Ich musste daran denken, worauf sich diese Formulierung bezieht. Vor meinem inneren Auge sah ich eine Münze, die als rundes, ganz glattes Metallstück in den Prägestock kommt. Dann wird mir großem Druck dieses Metallstück mit einer Prägung versehen. Und fertig ist die Münze!

Genau so stellen sich sehr viele Menschen auch das Christsein vor. Man bekehrt sich, erhält damit von Gott eine neue Identität – und das behält man dann bis zum Ende so bei. Oder man hat vielleicht mehrere „prägende Erlebnisse“ in seinem Leben. Jedenfalls: So wie die Münze einmal geprägt wird, so erhalten wir Gottes Stempel auf unser Leben und behalten ihn bei. Leider können sich Münzen aber auch abgreifen. Das geht zuerst ganz unbemerkt. Dann sieht man irgendwann die Gebrauchsspuren, aber die Münze ist noch erkennbar und kann zum Bezahlen benutzt werden.

Irgendwann aber ist sie so abgegriffen, dass auch ein Experte mit der Lupe nicht mehr sagen kann, was er da eigentlich vor sich hat: Gehörte dieser kaum mehr erkennbare Kopf jetzt Alexander dem Großen – oder vielleicht doch Kaiser Augustus? Oder wem sonst?

Die Bibel sagt uns über unser Glaubensleben etwas anderes: Lüget nicht untereinander; zieht den alten Menschen mit seinen Werken aus 10 und ziehet den neuen an, der da erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbilde des, der ihn geschaffen hat; (Kolosser 3, 9.10) Hier geht es also nicht um eine einmalige Prägung, nach der wir uns keine Sorgen mehr machen müssten.

Nein, das hier beschriebene „erneuern“ bezieht sich auf Wachsen und Reifen; auf einen Prozess, der sich bis zu unserem letzten Tag auf dieser Erde ereignet. Das ist nicht das Prägen eines toten Stück Metalls, sondern etwas Lebendiges. Und das geht nur durch den permanenten Kontakt zu Gott, der uns erneuert. Sonst greifen wir uns wie eine Münze ab.

Wenn dieser Kontakt zu Gott einschläft (oder gar abbricht), dann laufen wir Gefahr, dass wir uns im Vertrauen auf unsere „christliche Prägung“ vom Herrn entfernen; langsam aber sicher. Dann kann man zwar erkennen: „Da war mal was gewesen, was lebendig war“, aber es bleibt am Ende nur ein unverbindliches Feld-, Wald- und Wiesenchristentum übrig. Man findet christliche Werte gut, aber wo bleibt das Feuer, das Leben einer echten Beziehung zu Gott?

Deshalb warnt Paulus den Timotheus: und habest den Glauben und gutes Gewissen, welches etliche von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten haben; (1. Timotheus 1, 19) Geben wir uns nicht damit zufrieden, einmal christlich geprägt zu sein, lassen wir uns täglich durch Christus prägen – und erneuern!