Meine Generation ist, wenn man das so sagen kann, noch mit der Weihnachtsgeschichte groß geworden. Im Dezember wurde noch nicht von rotgekleideten Männern mit weißem Bart nur „ho, ho, ho“ gerufen, und die Weihnachtslieder hatten auch noch Weihnachten zum Inhalt. Es war eben nicht nur ein Fest am Jahresende…
Wie gesagt, die uns allen bekannte Weihnachtsgeschichte aus dem zweiten Kapitel des Lukasevangeliums war damals mehr als einmal im Radio zu hören. Und es ist gerade einer der Sätze am Ende, der mir schon damals hängen geblieben ist: Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. (Lukas 2, 19)
Um welche Worte es hier geht, wird aus den Versen vorher klar. Es sind die Worte, die der Engel den Hirten sagte. Die Hirten erzählen sie wiederum Maria und Joseph. — Das ist schon einmal der erste Punkt, den wir betrachten wollen. „Maria aber behielt alle diese Worte…“ Es geht hier also um das, was über Jesus gesagt wird.
Sind wir einmal ehrlich: Wie viel hören wir im Verlauf einer Woche? Und wie viel davon bemüht sich, uns auch in Erinnerung zu bleiben? Aber wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, dass diese einprägsamen Worte früher oder später doch „altern“. Was ist von den wichtigen Nachrichten vom Dezember letzten Jahres noch aktuell genug, dass wir uns daran erinnern? Das, was wir von Jesus hören, ist gut 2.000 Jahre alt – aber viel wichtiger für uns!
Nun könnte der obige Bibelvers ja heißen: „Maria aber behielt alle diese Worte und bewahrte sie in ihrem Herzen.“ So lautet er aber nicht. Luther schreibt hier „bewegte“. In der Elberfelder Übersetzung steht „und erwog sie“, Schlachter sagt „und überlegte sie“. Die Neue evangelistische Übersetzung schreibt „und dachte immer wieder darüber nach“, die Textbibel von 1911 übersetzt mit „Maria aber bewahrte alle diese Dinge nachdenkend in ihrem Herzen.“
Ich denke, das ist genau der Punkt, auf den es hier ankommt. Es ist ohne Zweifel wichtig, unter all dem, was wir so hören, gerade die Worte von (und auch über) Jesus aus der Bibel zu behalten. Aber es geht nicht nur um ein „behalten“ im Sinne von „in die Schublade legen, damit es nicht wegkommt“.
Wir sollen dieses Wort immer wieder neu bewegen im Sinne von „hervorholen“, etwas daraus machen. Oder, wie die anderen Übersetzungen es ganz richtig sagen, wir sollen immer wieder darüber nachdenken. Die Worte erwägen, überlegen, sie anwenden, das ist wichtig für uns. Gerade in der heutigen, lärmigen Zeit.
Ein Beispiel soll es uns verdeutlichen. Autofahrer wissen: Wenn wir an eine Unfallstelle kommen, ist es wichtig, den Warnblinker einzuschalten und das Warndreieck aufzustellen. Wird man danach gefragt, kann fast jeder das so sagen – aber wie viele machen es dann doch nicht? Nun, ich habe oft genug darüber nachgedacht, „was wäre, wenn…“ Leider musste ich schon mehr als einmal davon Gebrauch machen. Aber: Weil ich das „bewegt“, also durchgespielt hatte, lief im entscheidenden Moment vieles davon fast von selbst.
Auch unser Christenleben braucht dringend diese Art von Routine. Wir sind sehr gut beraten, mindestens eine Handvoll wichtiger Bibelstellen auswendig zu können. Aber nicht nur so, dass wir sie dann fehlerfrei zitieren können. Sondern wir sollen auch überlegen: „Was will dieses Wort mir sagen? Was bedeutet es für mich?“
Sehr viele Predigten und Artikel im “Gemeinde aktuell” von mir sind dadurch entstanden, dass ein Bibelvers mich nicht mehr losgelassen hat – und dann habe ich diesen Vers nicht mehr losgelassen, ich habe ihn regelrecht „bewegt“. Das fiel mir auch nicht immer leicht. Aber es hat sich immer gelohnt! Nur so wird das Wort lebendig.