Vor einigen Jahren bekam ich kurz vor Ostern eine kleine Broschüre in die Hand, auf der ein lachender Schokoladenhase abgebildet war. In der Broschüre stand dann zu lesen, dass der Osterhase das gefährlichste Tier der Welt sei! Begründung: Er macht aus dem revolutionärsten Fest der Weltgeschichte eine harmlose Feier. Ohne, dass ich das Heftchen bis zum Ende gelesen hatte, wusste ich: Der Autor hat schon recht mit seiner Aussage.

Ostern – das ist für viele Menschen ein willkommener Anlass zum Feiern: Man freut sich, dass der Frühling wiederkommt; man hat ein paar freie Tage, gutes Essen und die Kinder freuen sich über Geschenke – oder freuen sich vielleicht nicht so ganz, wenn sie diese erst suchen müssen. Nur, ist Ostern wirklich nur ein Frühjahrsfest? Das Fest von bunten Eiern und Schokoladenhasen, die millionenfach zwar nicht durchs Gras hoppeln, aber über zahllose Ladentheken gehen? Ich meine: Nein, Ostern ist mehr. Viel mehr!

Mehr noch als Weihnachten ist Ostern ein Fest, dessen Ursache für uns völlig im Dunkeln bleiben wird, wenn wir Jesus Christus aus dem Blick verlieren. An Weihnachten denken wir daran, DASS Jesus geboren wurde. Aber an Ostern denken wir daran, WARUM er geboren wurde. Und was damals in Jerusalem passiert ist, das berichtet die Bibel im neuen Testament gleich in vier verschiedenen Büchern, den vier Evangelien. Jesus Christus wurde damals von einem seiner Nachfolger an die religiösen Führer verraten, denen das die größte Freude bedeutete: Endlich konnten sie den ihnen so unbequemen Wanderprediger loswerden! Kaum verhaftet, wurde Jesus dann auch dem römischen Gouverneur Pontius Pilatus vorgeführt, der nach einem ebenso kurzen wie skandalösen Prozess zu dem Urteil kam: Dieser Mann wird zum Tod am Kreuz verurteilt.

Diese Hinrichtungsart hatten die Römer mehrere hundert Jahre vorher bei ihrem alten Feind Karthago kennen gelernt. Von Rechts wegen durfte ein römischer Bürger nicht gekreuzigt werden – diese Art der Hinrichtung galt als so ehrlos, dass sie den Sklaven und Aufrührern vorbehalten war. Und im Gegensatz zu einem schnellen Erhängen konnte hier der Todeskampf bis zu drei Tage lang dauern. Also alles in allem eine schreckliche Art, einen Menschen sterben zu lassen. Nur: Jesus starb schon nach wenigen Stunden. Um den religiösen Vorschriften gerecht zu werden, wurde er dann noch am Abend beerdigt.

Bis dahin hört sich die Geschichte zwar sehr dramatisch an, aber sie ist noch nichts wirklich Außergewöhnliches. Es wurden im Lauf der Zeit so viele Menschen gekreuzigt; im Jahr 71 v. Chr. nach dem Ende des Sklavenaufstands unter Spartacus insgesamt 6.000 (!) seiner Anhänger entlang der römischen Via Appia. Ebenso sind Neid, Verrat und ungerechte Gerichtsurteile keine Seltenheit. Wieso ist Ostern dann für die Christen so etwas Besonderes?

Nun, weil die Geschichte nicht mit der Kreuzigung (an die wir am Karfreitag denken) endet! Die Bibel berichtet uns nicht nur von Jesu Hinrichtung, sondern etwas, das sich auf den ersten Blick völlig verrückt anhört – am dritten Tag nach der Kreuzigung hat Gott selbst Jesus wieder ins Leben zurückgerufen! Ja, im Lauf der Zeit gab es viele Versuche, das leere Grab zu erklären. Sei es, dass die Nachfolger Jesu sich eine tolle Geschichte ausgedacht hätten, um mit seinem Tod irgendwie fertig zu werden; sei es, dass man vermutet, Jesus wäre nur scheintot, aber doch noch so halbwegs am Leben gewesen.

Jeder, der sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt, muss sich die Frage stellen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Anhänger eines soeben zum Tod verurteilten Mannes sich so eine phantastische Geschichte ausdenken? Wie wahrscheinlich ist es, dass diese geschrumpfte und verängstigte Schar von Nachfolgern bei Nacht und Nebel eine Leiche aus einem bewachten Grab klaut – nur, um einen Mythos auftischen zu können? Hätte nicht der Leichnam Jesu als besondere Reliquie nicht doch irgendwo ein heute bewundertes Grab gefunden? Und wie glaubhaft ist es, dass ein Hingerichteter sich wieder soweit aufrichtet, um dann aus seinem Grab zu fliehen?

Ostern – das ist das Fest, an dem wir Christen daran denken, dass Jesus Christus nicht nur bereit war, bis zur Androhung der Todesstrafe seinen Weg zu gehen, sondern buchstäblich bis ins Grab hinein. Aber warum? Aus Überzeugung und Fanatismus? Um der Nachwelt ein Beispiel dafür zu geben, dass man für das, was man für richtig hält, auch vor dem Tod keine Angst haben soll? Nein! Jesus starb, damit Gottes Zorn über die Schuld der Menschen (die Bibel nennt es Sünde) tatsächlich einen Menschen treffen konnte. Und zwar den einzigen Menschen, der das auch aushalten konnte – gleichzeitig war es aber der einzige Mensch, der das nicht verdient hatte, nämlich Jesus, der gut 30 Jahre vorher von Gott auf diese Welt geschickt wurde, woran wir ja an Weihnachten denken.

An dieser Stelle haben die Theologen schon seit langer Zeit sich die Haare gerauft: „Wie sollen wir an einen liebenden und gerechten Gott glauben, wenn er Blut sehen will, um das Schuldproblem zu lösen? Und ist Gott gerecht, wenn er den einzigen Menschen bestraft, den er hätte verschonen können? Das ist doch vollkommen unlogisch!“ – Ich sehe das aber nicht aus dem Blickwinkel eines Theologen, der über solche Fragen versucht, eine Doktorarbeit zu schreiben; der versucht, Gott verstehen zu können, so wie ein Detektiv versucht, einen Täter zu verstehen. Nein, ich sehe das aus dem Blickwinkel des Menschen, der voller Freude sagen kann:

„Was Jesus getan hat, das hat er auch für mich getan! Und weil meine Rechnung vor Gott ausgeglichen ist, muss ich nicht mehr dafür gerade stehen – eben weil Gott gerecht ist! Und weil Jesus der einzige war, der es nicht verdient hätte, genau darum konnte er ja auch für mich in die Lücke springen, denn sonst hätte sein Tod am Kreuz doch höchstens für seine Schuld vor Gott gereicht – wenn überhaupt!“

Ich bin überzeugt davon, dass Karfreitag und Ostern ebenso ernste Feiertage sind, wie sie uns auch Freude bringen können. Mehr Freude als alle Schokohasen und bunte Eier zusammen. Wir müssen nur einen Blick darauf werfen, was damals wirklich passiert ist. Und – dass es für uns passiert ist!